Visualisierungen
Wie die klassische Produkt- und Architekturfotografie, können 3D-Visualisierungen ganz unterschiedliche Aufgaben erfüllen: Zwischen der rein dokumentarischen und möglichst wertfreien Wiedergabe bestimmter Merkmale eines Gegenstands bzw. Baukörpers und der absolut künstlerisch abstrakten Verfremdung liegen diverse Zwischenstufen. Ob eine Visualisierung „funktioniert“ hängt daher vor allem von ihrem jeweiligen Verwendungskontext, der angepassten Komposition und der Seherfahrung bzw. Erwartung des Rezipienten/Betrachters ab.
Meine Erfahrung aus diversen Projektbesprechungen hat gezeigt, dass es von beiderseitigem Vorteil ist, wenn auch der Kunde bzw. Projektpartner abschätzen kann, welche Arbeitsabläufe und Fragestellungen im Zuge eines Visualisierungsprojekts auftreten können. Die folgende schematische Darstellung eines typischen Visualisierungs-Workflows soll die wichtigsten Arbeitsabläufe umreissen:
1. Vorüberlegungen
Eine gute Visualisierung lebt von einem durchdachten Bildaufbau und einer unmittelbaren Bildsprache. Ist die Architektur oder ein Objekt zentrales Moment der Bildaussage, dürfen keine anderen Elemente stören oder den Bildaufbau dominieren. Steht dagegen die Beziehung von Objekten oder Gebäuden zueinander im Mittelpunkt der Bildkomposition, muss dieser Zusammenhang unmissverständlich wiedergegeben werden. Allerdings kann es in vielen Situationen angebracht sein, von rein fotografischen Regeln abzurücken und den künstlerischen Aspekt zu betonen, um insbesondere eine bestimmte Stimmung und Atmosphäre über die Szene zu kommunizieren.
Um den gewünschten Effekt über die Visualisierung zu erzielen, sollten vorab einige Aspekte der Szenerie definiert werden. Als wichtigste sind hier die Frage der Perspektive und des Lichts sowie der Formsprache bzw. Geometrie zu nennen. Auch die Materialität und Textur wichtiger Szene-Elemente sowie das Format und die Auflösung des fertigen Renderings sind möglichst frühzeitig im Projektverlauf festzulegen.
2. Modeling
Auf Grundlage Ihrer Datenvorlage (2D-Grundrisse/CAD-Modell) wird ein Polygonmodell des Baukörpers bzw. Objekts erstellt und schrittweise verfeinert, bis der gewünschte Detailgrad erreicht ist. Die einfachen Bauelemente werden i.d.R. in einem der gängigen 3D-Programme (3ds Max, Cinema 4D, Blender u.a.) im Polygonmodeling-Verfahren erstellt. Von vornherein liegt hierbei der Anspruch auf einer möglichst „leichten“ Geometrie, also einer Mesh-Struktur, die aus möglichst wenigen Polygonen besteht. Häufig müsssen 3D-Modelle, die z.B. aus Sketchup, ArchiCAD oder AutoCAD ausgegeben wurden, neu aufgebaut und nachmodelliert werden, da die Topologie der exportierten Modelle entweder unsauber verschnitten sind oder sich Flächen mehrfach überlagern.
Gerade beim Modellieren für multiple Einsatzbereiche – etwa wenn das Modell auch zur Präsentation in einer VR-Anwendung zum Einsatz kommen soll – ist eine saubere/“leichte“ Mesh-Struktur mit geringer Polygonzahl eine wichtige Voraussetzung.
3. Texturierung
Liegt die Geometrie der zu visualisierenden Baukörper vor, wird das Mesh texturiert, um durch entsprechende Bild-Texturen bzw. komplexe Shader die gewünschte Oberflächenbeschaffenheit und Materialität nachempfinden. Mithilfe verschiedener Texturkanälen können gezielt Effekte erzeugt werden, die das physikalisch korrekte Verhalten des Lichts im Bezug auf das jeweilige Material simulieren – etwa das Reflexions- bzw. Spiegelungsverhalten, Mikrostrukturen in der Oberfläche, Lichtdurchlässigkeit oder Transparenz.
Um die Texturen korrekt auf die gewünschte Oberfläche zu „mappen“, muss das Mesh, also das Polygonnetz aus dem das 3D-Modell konstuiert ist, „abgewickelt“ werden. Dies bedeutet, dass die Polygone des 3D-Modells in eine 2D-Ebene aufgespannt, um die Textur so darüber legen zu können, dass sie korrekt positioniert ist und verzerrungsfrei dargestellt wird.
Bereits im vorausgehenden Modelling-Schritt ist einzuplanen, welche Oberflächenmerkmale nur durch die Textur dargestellt werden können und welche tatsächlich im Modell nachgebildet werden sollen.In vielen Fällen können durch entsprechende Texturen die vielfältigen Details der Objektoberfläche wiedergegeben werden.
4. Render-Setup
Neben der Qualität des Modells und der Texturen spielen die richtigen und angepassten Render-Einstellungen bei der Erstellung hochwertiger Visualisierungen eine entscheidende Rolle. Hier kommt es v.a. auf die Erfahrung und das Wissen um fotografische Techniken und die physikalischen Eigenschaften der Lichtquellen und Materialien an. Der 3D-Artist muss die Szene mit ihren Fluchten, Lichtquellen, Materialien und Schattenverläufen wie ein Fotograf „lesen“ und die Einstellungen der Render-Engine entsprechend optimieren, um die Renderzeit auf ein Minimum zu reduzieren, zugleich aber die Bildqualität auf einem möglichst hohen Level zu halten. Gerade bei Animationen, bei denen häufig hunderte oder tausende Frames gerendert werden müssen, ist dieser Schritt der Renderoptimierung unerlässlich.
5. Postproduction
Je nach Verwendungszweck und Weiterverarbeitung wird das Roh-Rendering in externen Applikationen (Photoshop, After Effects u.a.) überbearbeitet und angepasst. Neben den gängigen Belichtungs- und Farbeinstellungen erlauben insbesondere die im Multipass-Rendering erzeugten Bildmasken und Kanäle eine umfassende Steuerung der Bildwirkung, um den gewünschten „look“ zu erziehlen.
6. Fazit
Bei den meisten Visualisierungsszenen müssen unzählige Kameras, Lichter, Geschosse, Deko-Elemente und Materialien verwaltet und strukturiert werden. Eine solide Planung und Abstimmung sind daher die Grundlage für eine erfolgreiche Projektumsetzung. Dies setzt bei der Systematik des ersten Datentransfers an und reicht bis in die letzten Arbeitsschritte der Postproduction-Phase.